Kleine Zeitung 27. 12. 2009

Bildwände, die Ausblicke öffnen


Fritz Berglers neue Installation ist der spannende Versuch,
die Vielfalt von Wirklichkeiten sichtbar zu machen.

Als künstlerischer Enzyklopädist präsentierte sich Fritz Bergler vor zwei Jahren in einer großen Personale in den Grazer Minoriten Galerien. Im Kreuzgang des ­Klosterkomplexes hatte der 1955 in St. Lorenzen im Mürztal Geborene auf ­Eisentafeln, die in allen nur erdenklichen Farben des Rostes schimmerten, 144 ­Begriffe fixiert. Solche einer konkreten, greifbaren Realität (wie „der Körper“), aber auch solche einer abstrakten Wirklichkeit (wie „das Kapital“). Allesamt verflochten in einem monumentalen Puzzle.

Wie „Memory“, eine je nach Präsentationsort aus unterschiedlich vielen Teilen ­bestehende Wandarbeit in Mischtechnik von 2001. Oder die „Großen Rasenstücke“ (2003). Mit Ölfarbe auf Hartfaserplatte gemalte, nahezu fotorealistische, aber schwarzweiße Bilder von Gräsern , in denen es nicht zuletzt um die kosmischen Fragen von Ordnung und Chaos geht. Auf der Homepage www.fritz-bergler.at ist dazu ein profunder Text des Physikers und Mathematikers Gerhard Grössing ­nachzulesen.

Blitzhütte

Einige Jahre zuvor hatten Bergler und der Schriftsteller Bodo Hell in ihrem ­gemeinsamen Projekt „Blitzhütte“ ein Schutzhaus im Schneealpengebiet mit ­Eisenblechen umhüllt und diese mit Texten zu den Themen Haut, Materialität, ­Geschichte, Zeit, Blitz und Blitzschutz beschriftet. Ebenfalls eine Reflexion zu ­kosmischer Komplexität. Weniger zu Wahrheiten denn Wahr-Nehmungen eines ­Universums, das nur in kleinen Bruchstücken und in der individuellen Verbindung und Interpretation dieser Brüchstücke (be)greifbar werden kann. Wenn überhaupt.

Das Prinzip von Teil und Ganzem herrscht auch in Berglers Ausstellungs-Installation „Rekonstruktion einer vertrauten Landschaft“ im der galerie kunsthaus muerz vor. Wieder sind es Texte und Bilder, mit denen sich der Künstler, einst an der Wiener Akademie der bildenden Künste Schüler von Max Weiler, einer ­Wirklichkeiten-Vielfalt nähert, deren Strukturen sucht. Mit Rastersystemen arbeitete Bergler schon in den 1980er-Jahren. Die „wirkliche“ Wirklichkeit bezog er mittels Sand, Stein und Holz in seine Arbeiten mit ein.

Geist & Materie

Der Natur- und Wirklichkeitbegriff seines Lehrers Weiler, das auch bei diesem als kreative Wirkkraft vorhandene Aufspüren des Geistigen im Materiellen (ohne dieses deshalb gering zu schätzen), sind Konstanten, die im Werk Berglers in vielfältiger Form in Erscheinung treten. Die vertraute Landschaft, die in der Ausstellung (re)konstruiert wird, ist eine sowohl äußere als innere Landschaft. In farbigen Grafiken sind Berge, Menschen, Tiere erkennbar, manches ist an den Rand der Lesbarkeit getrieben, in die irisierende Unschärfe eines Traums verwandelt.

Fritz Bergler schöpft aus einem enormen Fundus. Dennoch tritt bei seinen Neufügungen der unterschiedlichsten Partikel niemals das Gefühl von Beliebigkeit auf. Das wichtigste Bindemittel ist die ästhetische Qualität seiner Arbeit, die Behutsamkeit, mit der sich Teil an Teil fügt. Die Bildwände, die so entstehen engen den Betrachter nicht ein. Die einzelnen Bausteine erweisen sich vielmehr als Öffnungen, die neue Ausblicke ermöglichen, neue Erkenntnisse.

Walter Titz